Joey Goebel - Irgendwann wird es gut

Dass ich Hardcover Bücher selten kaufe, noch seltener am Tag ihres Erscheinens, ist nach wie vor so. Hardcover ist zum Verschenken da oder auch zum Beschenktwerden, sollte da ein Festeinband-Zwang bei Schenkenden oder Beschenkten bestehen. Bei mir nicht. Mein dahingehendes Konsumverhalten folgt keiner ästhetischen Vorgabe, sondern einem literarischen Hormoneinschuss. Also: Will ich haben, muss ich haben. Und zwar jetzt. Und zwar nicht jetzt gleich, sondern jetzt sofort! So auch im Falle von "Irgendwann wird es gut", dem neuen Werk von Joey Goebel. Gilt im Übrigen für jedes neue Werk von ihm.

Goebeln – nicht göbeln!

Zwang rulet! Da geht es den Menschen nun mal wie den Leuten. In diesem Fall mir ebenso wie bspw. Benedict Wells. Der beneidet laut eigener Aussage jene, die Joey Goebels Bücher "noch nicht kennen und zum ersten Mal lesen dürfen", und bringt es damit auf den Punkt. Und genau diesem Punkt gebühren mindestens so viele Ausrufezeichen, wie der Inbetriebnahme des BER Fragezeichen. Also quasi alle.

Herzlichen Glückwunsch also denen, die die vier bislang von Joey Goebel erschienenen Romane noch vor sich haben. Und wer insbesondere während und nach der Lektüre von "Vincent" nicht den Drang verspürt, weiter Goebeln (ungleich göbeln) zu wollen, dem möchte ich Verweigerung aus Trotz unterstellen. Nichts für ungut. Aber Goebel vermag es, Figuren zu entwickeln - oder aus der Realität abzuschreiben - denen sich zu entziehen deutlich schwerer fallen dürfte, als sich auf sie und ihre von Einsamkeit und Rückschlägen ebenso wie von Hoffnung und Weitermachen geprägten Leben inmitten amerikanischer Kleinstädte einzulassen.

Du, Du, Du und Du ... und Du auch! Zielgruppenerweiterung

So auch in „Irgendwann wird es gut“, dem ersten Kurzgeschichtenband des US-amerikanischen Schriftstellers, Drehbuchautors und Musikers.
Moment. Moooo-hooooo-mentchen mal! Drangeblieben! Von wegen, Kurzgeschichten schreibt man, gelesen werden aber Romane. In "Irgendwann wird es gut" kommen sowohl Roman-Lesende als auch Kurzgeschichten-Bevorzugende voll auf ihre Kosten (Hardcover Leinen // 320 Seiten // € (D) 22.00), da Goebel nämlich einfach das Beste aus beiden Welten vereint. Durch verbindende, immer wiederkehrende Elemente, die er in die einzelnen Geschichten packt, weitet sich der Erzählkosmos romantypisch aus und vermittelt das Gefühl, als läse man sich da ganz klar und zweifelsohne durch die epische Großform. Aber Ha! Blickfinte! Tatsächlich handelt es sich (wie vom Autor selbst bestätigt - und der muss es wissen) um Kurzgeschichten, von denen jede der insgesamt zehn auch ohne diese narrativen Verbundstoffe ganz großartig funktioniert. Was wiederum den unbedingten Vorteil hat, dass man das Buch nicht nochmal von vorn beginnen müsste, wäre man mal ein paar Monate auf Seite 237 oder so eingeschlafen. Nun gut, das würde wohl ohnehin nicht passieren. Gar nicht mal, weil vermutlich die wenigsten Menschen mal eben einfach so ein paar Monate einschlafen, wie man jetzt absolut berechtigt würde einwerfen können. Sondern viel mehr, weil - nun ja - Joey Goebel. Da liest man weiter. Da bleibt man dran, da leidet und hadert man mit; mit den Strauchelnden, den Angeschlagenen, den Zerdenkenden, den weniger Kompatiblen und den Nicht-Selbstverständlichen, mit den aber trotz aller Einsamkeit und Zurückweisung dennoch nicht Hoffnungslosen.

Dieses Mal leben sie in Moberly, einer Kleinstadt in Kentucky. Sie heißen Anthony, Carly, Olivia, Dan, Stephanie und wie Menschen sonst noch so heißen, deren Name nicht das Problem ist. Das Problem in "Irgendwann wird es gut" sind ihre Leben, die nicht die sind, die sie sich erträumt haben. Ein junger Mann, der jeden Abend mit zwei Drinks auf die Frau wartet, die er liebt, der er aber noch nie begegnet ist. Ein zwölfjähriges Mädchen, das seine Zeit am liebsten im mütterlichen Antikgeschäft verbringt und mit einem betagten Herren, der ihr Idol James Dean noch zu Lebzeiten kannte. Ein Nerd, der einem Radiomoderator, der sich als Nerd bezeichnet, "die Moral von Nerds" erklären will und ihm immer exzessivere Mails schreibt, die, von tiefer Abneigung getragen, die verzweifelte Suche nach Verständnis und Zuneigung offenlegen. Ein Messie, der sein Haus nicht mehr verlassen kann, aber so gern würde, um die wohlgekleidete Frau kennenzulernen, die er jeden Abend vom Fenster aus bei ihrem Spaziergang beobachtet und die womöglich noch trauriger ist als er selbst..

Bitte scheitern Sie weiter! Es gibt hier sonst nichts zu lesen!

Schöner scheitern ist wohl das, was mit zuerst einfällt, denkt man an Joey Goebels Figuren und deren fiktionale Biografien. Und genau das ist es, was ich auch den Charakteren seiner künftigen Bücher wünsche: Mögen sie scheitern. Schöner zwar, aber mögen sie scheitern. Möge es irgendwann gut werden, aber möge es bitte nie gut sein. Mögen ihnen stets das Gegenteil von Liebe ohne Leiden widerfahren. Das allerdings in einem von Goebel erschaffenen Kosmos, der zwar nicht lichtdurchflutet ist aber unbedingt lichtdurchlässig und in dem glücklicherweise immer gilt: Und trotzdem (ist es all das wert)!

Wieder ein Buch Goebels, das ich gelesen (reingefressen) habe. Während ich, wie Benedict Wells, nun die beneide, die es "noch nicht kennen und zum ersten Mal lesen dürfen", erfreue ich mich an folgender Klimax:

 

Juhu: Joey Goebel kommt auf Lesereise

Juhuer: Er kommt nach Berlin.

Am Juhusten: Ich hab Tickets.

 

Bereits jetzt möchte ich mich ausdrücklich bei Joey Goebel und der Buchbox des Vertrauens für eine Rotz & Wasser (Sekt/Weißwein)-Veranstaltung bedanken, wie ich sie mir nicht schöner würde gewünscht haben können. Dieser grammatikalische Salto ist der Tatsache geschuldet, dass die Lesung erst in der Zukunft stattfindet. Auch, wenn jetzt schon weiß, dass sie vom allerfeinsten gewesen sein wird, werde ich es danach erst beweisen und mich grammatikalisch wieder auf sichererem Terrain bewegen können.