Heinz Strunk - Jürgen

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"Kniffelst Du gern, scheust dich nicht davor, Insekten wegzumachen und hast keine Amalgamzähne? Suchst du keinen Adonis, sondern, sagen wir, einen verlässlichen, dem Humor nicht abgeneigten, (Flirt)Ratgeberliteratur verschlingenden Partner mit Festanstellung (Pförtner Tiefgarage / 1400 Stellplätze), medizinisch auffälligem Hautbild, Wanderhoden (Singular) und bettlägeriger Mutter? Donnerlittchen - Fremde, dein Name muss Schicksal sein. Meiner ist Jürgen. Lass uns die verzweifelte Suche nach Liebe einstellen und schreib mir unter dem Betreff: Liebe(r) - ein Ende mit Schrecken."

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So in etwa könnte sie aussehen, die Kontaktanzeige von Jürgen, titelgebender Protagonist des neuen Heinz Strunk Romans. Wie? Neuer Heinz Strunk Roman? Erschien nicht eben erst "Der goldene Handschuh"? Doch, stimmt schon. Aber was raus muss, muss eben raus. In diesem Fall mal wieder Strunks Alter Ego: Jürgen Dose, ein in Harburg lebender Nicht-Adonis, der voll auf Liebe abonniert ist. Die Liebe aber (ACHTUNGACHTUNG: SPOILERALARM!) irgendwie voll gar nicht auf ihn.

Bataillon d`amour on Tour

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So hat Jürgen Zeit für seinen Job im Parkhaus, der ihm in etwa ebenso viel abverlangt, wie das Zusammenleben mit seiner bettlägerigen Mutter. Abwechslung davon versprechen allenfalls die Treffen mit Bernd Würmer, seinem besten / einzigen Freund, der im Rollstuhl sitzt und sich unentwegt mit ihm zankt. Trotzdem ist Jürgen der Meinung, es eigentlich ganz gut getroffen zu haben. Was ihm und Bernd dann aber doch fehlt, ist die Liebe einer Frau. Respektive die Liebe zweier Frauen, schließlich sind beide Kavaliere auf der Suche. Von verdrängenswerten Erfahrungen mit Internetbekanntschaften und Flauten beim Speed-Dating nicht hinreichend entmutigt, begehren Jürgen und Bernd gegen ihr drohendes together-alone-forever-Schicksal auf und reisen mit der Firma "Eurolove" nach Polen, wo, so zumindest die Theorie, Herzen darauf warten, ihnen zufliegen zu dürfen. Und wenn irgendwo "so zumindest die Theorie" geschrieben steht, ist davon auszugehen, dass es dazu eine üblicherweise gegenläufige Praxis gibt. Weil Werbung im Vergleich zu Spoilern das kleinere Übel ist, an dieser Stelle ein kleiner Werbeblock und dann geht es weiter.

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Bisher war Heinz Strunk jemand, von dem ich mich prima unterhalten fühlte, ohne den Wunsch zu verspüren, eines seiner Bücher zu kaufen oder zu lesen. Das änderte sich, nachdem ich eher zufällig eine seiner Lesungen zu "Der goldene Handschuh" besuchte. Mörderbuch. Mörderhörbuch. Irre gutes, kürzlich mit dem Wilhelm Raabe Preis prämiertes Werk. Dass ich zu "Jürgen" griff, ist also letztlich darauf zurückzuführen, dass "Der goldene Handschuh" mir voll auf den Geschmack boxte und der (im besten Sinne) vorübergehend einen mitgekriegt hat. Passiert. Inzwischen ist er, der Geschmack, wieder halbwegs hergestellt und der festen Überzeugung, erstmal nicht mehr auf Schonkost angewiesen zu sein. Denn das ist "Jürgen" Strunks inzwischen achter Roman, irgendwie: Schonkost.

Besser Schonkost als Ohn(e)kost

Man verdirbt sich daran weder Magen noch Laune. Letzteres gilt allerdings nur, wenn absehbar ist, dass es bald wieder was anderes gibt. Irgendwas mit Einlage und Gewürzen - irgendwas mit Kompottwunsch. Der hat sich beim Lesen von "Jürgen" nämlich nicht eingestellt. Stattdessen das Gefühl, einiges so oder so ähnlich von Strunk schon mal anderweitig gehört oder gesehen und auch schon mal (mehr) darüber gelacht zu haben ("Fleisch ist mein Gemüse", "Fleckenteufel"). Einige der Episoden im Buch scheinen, als ginge es nur darum, nicht nichts zu schreiben und darum, die Seitenzahl hochzutreiben. Letztendlich sind es dann knapp 260 geworden: hinreichend groß gedruckt und nicht an Absätzen sparend. Liest sich also zügig weg. Was natürlich auch daran liegt, dass "Jürgen", als echter Strunk, trotz aller Füllepisoden, Wiederholungen und Kalauern natürlich unterhält. Mich beispielsweise folgender wohlfeiler Denkanstoß: "Wie soll es einem schon gehen, wenn man den ganzen Tag im Bett liegen und fressen muss. Außerdem werden mir nachts regelmäßig innere Organe entnommen." Was mich mit "Jürgen" auf ganz eigene Art und Weise zusammenschweißt, ist eine Reminiszenz an die Venga Boys. Machste nichts.

 

Fazit: "Jürgen" hat auf mich eine ähnliche Wirkung wie Hintergrundmusik im Aufzug: Stört nicht; man kommt trotzdem an - manchmal sogar besser unterhalten. Im Zweifelsfall bin ich trotzdem weiter pro Treppe. Zum einen ist hier die Gefahr des Steckenbleibens deutlich geringer. Zum anderen ist so in der Regel ein Mehrwert nicht nur eher sondern auch länger spürbar.

 

Fun Fact: Der Roman ist bei Amazon Bestseller Nr. 1 in der Kategorie Partnerwahl/& suche. Was bleibt zu sagen, außer: Wo Liebe wütet, hat Scham Hausverbot.